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Der Journalistenblog der Studierenden der FHM-Außenstelle Köln

Der kölsche Klüngel – besser als sein Ruf?

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Klüngeln bewegt Köln?

Klüngeln bewegt Köln? (Rechte: Radio Köln)

Der Karneval und das Kölsch (häufig treten beide Phänomene gemeinsam auf) haben eine lange Tradition in Köln, das weiß hier jedes Kind. Warum aber das Klüngeln so fest mit Köln verbunden ist, das weiß keiner so genau. Geklüngelt wird überall auf der Welt, was ist daran denn nun „typisch kölsch„? Und ist klüngeln wirklich als unmoralisch anzusehen? Von: Susanne van den Bergh

„Mer kennt sich,mer hilft sich“ (Konrad Adenauer)

Konrad Adenauer, Oberbürgermeister von Köln von 1917 bis 1933, definierte Klüngeln mit der Aussage „Man kennt sich, man hilft sich“. Dr. Günther Heidecke, Kölner Regierungspräsident von 1967 bis 1978, erklärte Klüngel so: „Ich kann jot telefoniere“. Gut telefonieren können viele Menschen, auch Hilfsbereitschaft unter Freunden scheint keine Seltenheit zu sein und bestimmt nicht nur typisch kölsch. Der Kölner Prälat Norbert Herkenrath hingegen beschreibt den kölschen Klüngel als „unbürokratische Kreativität unter Ausschluss der Öffentlichkeit zum Wohle der Allgemeinheit“. Die katholische Kirche klärt auf, sie scheint sowieso eine besondere Beziehung zum Klüngel zu haben, später mehr dazu.

Wenn der Kölner von Klüngeln spricht, meint er nicht nur Hilfsbereitschaft unter Freunden, sondern auch Hilfsbereitschaft unter Bekannten und Freunden von Bekannten. Auf Hochdeutsch auch „Netzwerken“ genannt. Ob Visitenkarten-Partys oder unzählige Plattformen zum „netzwerken“ im Internet: Das „Business-Netzwerk“ xing.com beispielsweise wirbt mit weltweiter Knüpfung von Geschäftskontakten. Klüngeln auf globaler Ebene also, nur das es hier niemand so nennt und das niemand die Nase rümpft, wenn über diese Plattform gesprochen wird. Die rheinische Natur ist bekannterweise eine fröhliche, die kölsche Seele ist besonders gesellig. Und je mehr Leute man kennt, umso mehr potentielle „Klüngelfäden“ hält man schließlich in der Hand. Das Besondere scheint also das Wort, nicht die Sache an sich, zu sein.

Ein Wort mit unklarer Herkunft und zwei Bedeutungen

Über die Herkunft des Wortes Klüngel streiten sich die Wissenschaftler. Ein Erklärungsversuch bezieht sich auf das Wort „Klung“, mit dem ein Knäuel gemeint war: Ein unüberschaubares Gewirr von Fäden, bei dem die Zusammenhänge nicht erkennbar sind. Für den anderen Ansatz muss man sich wieder bei der katholischen Kirche bedienen: Im Jahr 1615 ging der damalige Kölner Erzbischof Ferdinand gegen die sogenannte „clancularia capitula“ vor. Gemeint waren heimliche Treffen von Geistlichen in höheren Positionen. Abschließend geklärt ist die Herkunft nicht, eines ist aber beiden Bedeutungszuweisungen gemeinsam: das Heimliche, Unüberschaubare.

Quo vadis, Klüngel?

Quo vadis, Klüngel? Bild: van den Bergh

Und dazu passt dann auch die zweite, in Verruf geratene Bedeutung des Wortes: eine Gleichsetzung mit Korruption, mit Bestechlichkeit, mit Heimlichkeit. „Korruption ist die Perversion des Klüngels, nicht mehr und nicht weniger“, so der Klüngelexperte Dr. Frank Überall im Interview. Sobald es in Köln um Absprachen zwischen Politikern geht, steht der Begriff Klüngel im Raum. Klüngel in Verbindung mit Politik, vor allem an der Schnittstelle zu Unternehmen, Auftragsvergaben, Bauvorhaben – da wird das Knäuel aus Macht und Kontakten schnell zur Versuchung. Und da der Kölner besonders gesellig ist, passiert das in Köln vielleicht ein wenig schneller als in anderen Städten. Da einige Kölner Skandale in der Vergangenheit bundesweit bekannt wurden, wurde auch der Begriff bekannt – nahezu ausschließlich in der negativen Variante. Es geht immer noch um Gefälligkeiten unter Bekannten oder Freunden, aber meistens auch um viel Geld oder hohe Positionen. Geklüngelt wird dann nicht zum Wohle der Allgemeinheit oder wenigstens ohne Schaden für Dritte, sondern meist mit erheblichem Schaden für Andere. Im Kölner Klüngel-Kalender, erschienen im Jahr 1990, wird Klüngel unter anderem so definiert: „Nicht der Klüngel verdirbt den Charakter, schlechte Charaktere verderben den Klüngel“. Es scheint also, der Klüngel in seiner urkölschen, ausgesprochen offenen und positiven Art geht langsam den Bach runter.

Klüngeln op joot kölsch – so sollte es sein…[weiter]

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Written by svdbergh

Mai 11, 2009 um 11:38 am

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